Was leisten gebrauchte Röhren im praktischen Einsatz?

Was leisten gebrauchte Röhren im praktischen Einsatz?

Wann es sinnvoll ist gebrauchte Röhren auszutauschen, lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Deshalb habe einige meiner gebrauchten Elektronenröhren auf einem statischen Röhrenprüfer getestet und anschließend in den Röhrenradios eingesetzt.

EL84 (6P14P): Für einen sagenhaft günstigen Preis habe ich mir in meinem Wagemut 8 gebrauchte russische 6P14P, die mit der EL84 identisch sind, zuschicken lassen. Man suche in der "Bucht" einfach nach "6P14P". Auf dem Foto der Verkaufsanzeige waren auf den Röhren braune Schlieren durch Glaselektrolyse zu erkennen, was ein Zeichen für einen längeren Gebrauch ist. Da ich wusste auf was ich mich da einlasse, habe ich ich die einzelnen Exemplare auf dem Röhrenprüfer getestet. Eine neue EL84 sollte laut der Röhrentabelle des Röhrenprüfers 48 mA Anodenstrom liefern, wobei +/- 5% Fertigungstoleranz üblich sind. Meine EL84 für Testzwecke kann zum Beispiel nur 40 mA und klingt dennoch noch sehr gut. Die EL84 ist eine weit verbreitete Audioendstufenröhre aus den 1950er Jahren. Die allermeisten Leser werden dies wissen, aber eben nur die allermeisten und nicht alle.


Acht gebrauchte 6P14P habe ich mir aus der Ukraine zuschicken lassen. Sie waren alle noch einsatzfähig. Klanglich konnte ich keinen Unterschied im Vergleich zu einer neuwertigen EL84 feststellen.


Eine russische 6P14P, welche problemlos als kostengünstiger Ersatz für eine EL84 dienen kann.

Die 8 russischen 6P14P hatten folgende Anodenstromwerte (mA): 23; 23; 25; 27; 28; 31; 33; 35.

Ich hatte sie bei 245 Volt gemessen und nicht bei den vorgeschriebenen 250 Volt Anodenspannung, weil mein Röhrenprüfer nicht mehr als 245 Volt liefert. In Wirklichkeit wären die Werte also etwas besser. Trotzdem war ich erst einmal wegen der schlechten Werte leicht sauer über das, was ich da gekauft hatte.

Da ein Röhrenprüfer nur einen groben Anhaltspunkt über den tatsächlichen Zustand einer Röhre liefern kann, habe ich jede der Röhren in meinem kleinen Grundig 97 S bei erhöhter Zimmerlautstärke gehörmäßig getestet. Alle Röhren klangen ohne Unterschied sehr gut. Hätte ich keinen Röhrenprüfer gehabt, wäre ich von dem Kauf begeistert gewesen. Ich nehme an, dass bei etwa 1 bis 2 Watt Ausgangsleistung die relativ geringe Emissionsfähigkeit der gebrauchten 6P14P sich noch nicht klanglich bemerkbar macht. Der Schwachpunkt ist bei meinem Versuch offenbar hauptsächlich der Lautsprecher und nicht die gebrauchte Röhre. Also will ich angesichts des günstigen Preises nicht meckern und werde sie in den kleinen Radios aufbrauchen. Für eine Kinobeschallungsanlage sind die Röhren wohl nicht mehr zu gebrauchen, aber das habe ich ja auch nicht vor.

Übrigens kamen die Röhren aus der Ukraine und sie sind 10 Tage nach der Bestellung per Einschreiben eingetroffen.

ECH81: Mit zwei Mischröhren ECH81 habe ich ein Experiment vorgenommen, wobei bei der schlechten ECH81 die Triode nur 54% des Anodenstroms laut Datenblatt zog. Das Heptodensystem habe ich nicht getestet. Ich gehe aber davon aus, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einer verbrauchten Triode bedingt durch die Betriebsdauer auch die Heptode weniger Strom zieht. Das gute Exemplar lieferte 96% des Anodenstroms.

Diese beiden Exemplare habe ich in einem Empfänger verglichen. Auf Kurzwelle und Mittelwelle war kein Unterschied zu hören. Auf UKW war nur bei einem verrauschten Sender ein etwas besserer Höreindruck mit dem guten Exemplar subjektiv zu vernehmen. Das hat mich überrascht.

Ganz grob gesagt wird man eine vermutlich 50% geringere Steilheit auch nicht hören. Das entspräche 6 dB nach ein groben Abschätzung. Eine Empfindlichkeitssteigerung lässt sich meistens durch einen Neuabgleich der ZF-Filter eher erreichen, aber nicht durch neue Röhren. Bei der ECC85 für den UKW-Tuner stellte ich aber deutlich einen Zusammenhang zwischen den gemessenen Anodenströmen und der Empfangleistung dar. Allerdings waren bei mir 5 – 10% der Röhren eines Typs mit Null Anodenstrom. Es kommt also vor, dass eine Röhre unbrauchbar ist.

Man kommt auch ohne Röhrenprüfer aus, wenn funktionierende Ersatztypen zum Testen vorliegen. Meistens ist es ja nicht die Röhre selbst, sondern der Kontakt zwischen Sockel und Fassung oder es sind kalte Lötstellen. Trotzdem ist ein Röhrenprüfer eine nützliche Einrichtung. Übrigens kann man ja sehr leicht ein Röhrenradio auf taube Röhren einstellen, indem die Heizspannung von z.B. 6,3 auf 4 Volt abgesenkt wird. Dann ist so, als ob alle Röhren schlecht wären. Das Radio wird leise und unempfindlich. Ich habe mal gelesen, dass früher eine Radiowerktstatt einen Röhrenprüfer besitzen musste und ein Röhrenprüfer war oft eine Meisterstück.

Mir ist beim Röhrenprüfen im stillen Kämmerlein etwas aufgefallen, was ich noch nie bemerkte. Die Röhren knistern ganz leise im Betrieb. Das Knistern höre ich noch in 10 cm Abstand von der Röhre. Selbst neue Röhren knistern.

Die schlechten Röhren würde ich deshalb auf jeden Fall aufbewahren. Besser eine schlechte als überhaupt keine. Von meinen 10 gebrauchten ECH81 war aber eine mit 0 mA Anodenstrom dabei. Ich habe sie nicht im Empfänger ausprobiert, denn sie war auf jeden Fall defekt.

Verbrauchte Röhren man sich erst in ihrer Summe bemerkbar, wenn mehrere davon in einem Radio zum Einsatz kommen. Wer mit seinem Radio nur seinen mit hoher Feldstärke empfangbaren Ortssender bei Zimmerlautstärke hört, wird den Unterschied zwischen einem alten und einem neuen Röhrensatz wahrscheinlich überhaupt nicht bemerken, weil zum Beispiel die Schwundregelung für einen Ausgleich sorgt. Oft bewirkt ein Neuabgleich der Filter eine höhere Empfindlichkeitssteigerung als der Einsatz eines neuen Röhrensatzes.

EF80: Die EF80 ist eine beliebte Röhre für Bastelprojekte. Meinen gesamten Vorrat an gebrauchten EF80, die ich als Jugendlicher einst aus alten Fernsehern ausgeschlachtet hatte, habe ich auf dem Röhrenprüfer mit folgenden Parametern getestet:

Anodenspannung: 200 Volt
Schirmgitterspannung: 175 Volt
Steuergitterspannng: -2 Volt

Laut der Röhrentabelle sollten 10 mA Anodenstrom fließen. Die tatsächlich gemessenen Werte von den 10 mA in % sind wie folgt:

1 x 60%
1 x 70%
1 x 74%
1 x 80%
1 x 91%
1 x 96%
2 x 100%
4 x 110%

Das Vakuum war bei allen Röhren gut. Die gemessenen Werte habe ich gleich auf den jeweiligen Röhren mit wasserfestem Filzstift vermerkt. Die Röhren stammen wahrscheinlich alle aus den ZF-Verstärkern von alten Fernsehern. Je schlechter der Fernsehempfang war, desto schneller sollen sich die EF80 verbraucht haben. Das kann sein, denn bei gutem Empfang sorgt die Regelspannung für einen geringeren Anodenstrom.

Welche Röhren sollten zuerst ausgetauscht werden? Das sind meistens diejenigen Röhren, welche im Signalweg weit vorne liegen. Verbrauchte Röhren können zuweilen die Neigung zu verstärktem Rauschen besitzen. Wenn zum Beispiel eine verbrauchte ECC85 in der UKW-Eingangsstufe vermehrt rauscht, dann wird dieses Rauschen in den nachfolgenden Stufen weiter verstärkt.