Was ist Drahtfunk?

Was ist Drahtfunk?

Auf den Skalen alter Röhrenradios findet man des öfteren die Bezeichnung "Drahtfunk". Was hat es damit auf sich? Wahrscheinlich wenden Sie Drahtfunk im weitesten Sinne gerade an, um via Telefonleitung im Internet zu surfen. Doch diese Technik hat wenig mit dem ursprünglichen Drahtfunk zu tun, wie er noch vor einem halben Jahrhundert eingesetzt wurde.

Rundfunkprogramme über die Telefonleitung: Noch bis in die 60er Jahre wurden Radioprogramme nicht nur über den Äther, also per Funkwellen, verbreitet, sondern auch vorwiegend über die Telefonleitungen. Analog übertragene Telefongespräche spielten sich ja nur im Frequenzbereich von 300 Hz bis 3500 Hz ab. Schon damals erkannte man, dass Telefonleitungen weit höhere Frequenzen übertragen können. Deshalb übertrug man Radioprogramme über die Telefonleitungen, wozu meistens der Frequenzbereich des Langwellenrundfunkbands ab etwa 150 kHz genutzt wurde.


Auf den Rundfunkskalen der meisten alten Radios entdeckt man das Wort "Drahtfunk".

An die Telefonbuchse wurde eine Frequenzweiche angeschlossen, die zwei Ausgänge hatte. An den einen schloss man das Telefon an und der andere Ausgang wurde mit dem Antenneneingang des Radios verbunden. Meistens hatten die Haushalte schon ein Radio mit einem Langwellenbereich, so dass eine zusätzliche Investition entfiel. Mehr als drei Programme wurden in der Regel nicht übertragen. Manchmal wurde auch das Mittelwellenband genutzt. Je höher die gewählte Frequenz, desto größer ist allerdings die Dämpfung der Telefonleitung, womit meistens die Übertragung auf Mittelwellenfrequenzen als Grenze für eine wirtschaftliche Anwendung gesehen wurde.


Anschluss eines Radios an die Telefonleitung in Schweden. Eine Frequenzweiche liefert die beiden Ausgänge für das analoge Telefon und den normalen Rundfunkempfänger. Dies erinnert doch sehr stark an einen heutigen ADSL-Internetanschluss, wenn das Radio durch ein Modem ersetzt werden würde. Das Bild wurde übrigens im Rundfunkmuseum Motala aufgenommen (Bild-Quelle: Wikipedia, Autor: Riggwelter).

Vorteile des Drahtfunks gegenüber dem Rundfunkempfang über die Antenne: Der Drahtfunk erlaubte einen Empfang, der fast frei von Störungen und Rauschen war. Zudem gab es keine jahres- und tageszeitlich bedingten Veränderungen der Empfangsqualität, wie dies besonders auf Mittel- und Kurzwelle zu beobachten ist.

Im Schweden der 50er Jahre war Drahtfunk ausgesprochen beliebt, da zum einen eine für damalige Verhältnisse hohe Telefonanschlussdichte bestand und zum anderen in den nördlichen Breitengraden die Empfangsqualität sehr stark von der Jahreszeit abhängt. Zudem ist Schweden ein sehr langgestrecktes Land, während Rundfunksendeantennen auf Lang- und Mittelwelle mehr oder weniger Rundstrahler sind. Das dünn besiedelte Nordschweden war deshalb empfangstechnisch nur schwer zu versorgen.

Drahtfunk und Internet: Mit Einführung des UKW-Rundfunks verschwand dann nach und nach der Drahtfunk, der dann mit der Einführung des Internets in technisch verfeinerter und digitaler Form als ADSL seine Wiedergeburt erlebte. Die Frequenzweiche heißt nun "Splitter". An ihr kann ein analoges Telefon angeschlossen werden und an dem anderen Anschluss ein Modem, welches die digitalen Signale ab etwa 138 kHz empfängt und für den Computer demoduliert. Was freilich neu ist, ist der Rückkanal, den es beim alten Drahtfunk noch nicht gab.


Für die Einspeisung der Radioprogramme in das Telefonnetz wurden leistungsstarke Langwellensender benötigt, welche eine Leistung von vielen Kilowatt erzeugen mussten.

Spezielle Drahtfunkempfänger: Es gab auch spezielle Drahtfunkempfänger, mit denen man ein einziges Programm oder mehrere Programme empfangen konnte. Eine Frequenskala entfiel und die Programmwahl geschah per Knopfdruck. Von diesen speziellen Drahtfunkempfängern wurde eine nicht so hohe Empfindlichkeit verlangt, wodurch man sich gegenüber den normalen Radio ein paar Röhren einsparte, was den Preis senkte. In einer gemieteten Sommerhütte auf der schwedischen Ostseeinsel Gotland entdeckte ich einen solchen Drahtfunkempfänger:


Drahtfunkempfänger aus den 40er Jahren, entdeckt auf Gotland. Dieser Empfänger konnte gleichzeitig als Grammophonverstärker eingesetzt werden.


Die Front des Drahtfunkempfängers. Links von oben nach unten die Anschlüsse für: Drahtfunk, magnetischer Tonabnehmer, Kristalltonabnehmer. Dann kommt eine Kippschalter für die Umschaltung von Grammophon auf auf Drahtfunk. Es konnte nur ein Drahtfunkempfänger empfangen werden. Der Drehknopf ist für die Lautstärke, ganz rechts ist der Netzschalter.


Die Rückseite des Drahtfunkempfänger mit dem Lautsprecheranschluss für 5 Ohm und 5 Watt.


Aufkleber auf der Unterseite. Das Radio wurde fest auf die Frequenz 160 kHz eingestellt, um den Drahtfunk auf Gotland empfangen zu können. Rechts oben ist ein Loch, um den Trimmer des Eingangskreises auf die gewünschte Frequenz abzugleichen.

Weiterführende Links zum Thema Drahtfunk: